Symphonische Dichtung Nr.10
Ursprünglich als Ouvertüre zu der Tragödie Shakespeares bestimmt, sucht Liszt in seiner symphonischen Dichtung weniger das Drama musikalisch zu antizipieren als vielmehr ein musikalisches Portrait des dänischen Königssohnes zu zeichnen. In der symphonischen Charakterzeichnung einer zutiefst gespaltenen Persönlichkeit wechseln sich daher kämpferische, erregte, grotesk-fragmentarische sowie trauermarschartige Mosaike einander ab. Als ruhenden Gegenpol dazu lässt Liszt zweimal das Gegenbild – die mit sich im Reinen seiende Ophelia – aufscheinen. Formal ist das Werk vom Variationsprinzip bestimmt. Die Bausteine des Mottos zu Beginn des Werkes arbeitet Liszt nach und nach ab. Bemerkenswert sind die zahlreichen Dissonanzen, die Liszt nicht in einem Spannungsabbau überführt, sondern sich anhäufen und verdichten lässt: musikalische Abbild des trüben, quälenden Seelenzustand des Helden, dem der Ausweg aus dem Labyrinth seiner Probleme versagt bleibt. So erklingt am Ende des Werkes nicht der versöhnende Abschluss oder die befreiende Apotheose, sondern ein vergehendes, verklingendes Nichts: "Sein oder Nichtsein - das ist hier die Frage." (Otto Depenheuer)
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